Von der Oberpfalz nach Hollywood „Gegrüßet seist du, Königin“
Was haben der bayerische Oratorianer Johann Georg Seidenbusch (*1641 München, † 1729 Aufhausen), dessen Seligsprechungsprozess eingeleitet werden soll, und die US-amerikanische Filmkomödie „Sister Act – Eine himmlische Karriere“ (1992) mit Whoopi Goldberg gemeinsam? „Nichts, aber auch überhaupt nichts“, werden viele Leser dieser Zeilen jetzt sagen! Da irrt der fromme Leser, denn beide verbindet nämlich in gewisser Weise ein Marienlied: „Gegrüßet seist du, Königin“ (Gotteslob Nr. 536, alt 570).
Aufhausen, Mainz und Hildesheim
Der geborene Münchner Johann Georg Seidenbusch kam im Jahre 1667 ins oberpfälzische Aufhausen (Bistum Regensburg) als Pfarrer und begründete dort ab 1672 mit seinen Hilfspriestern eine Art Vita communis, die sich zum ersten Oratorium im deutschsprachigen Raum entwickeln sollte. Im Jahre 1687 gab er dort ein Andachtsbüchlein mit dem Titel „Marianischer Schnee-Berg, oder Beschreibung der Andacht bey Unser Lieben Frawen zum Schnee auff dem Berg zu Auffhausen … Sambt Neun und zwantzig Bitt- und Lob-Gesänglein“ heraus. Der Titel „Marianischer Schnee-Berg“ bezog sich auf das Patronat der Wallfahrtskirche Maria Schnee, die heute wieder von Oratorianern seelsorglich und liturgisch betreut wird. In diesem Andachtsbüchlein fand sich auch das heutige Marienlied „Gegrüßet seist du, Königin“, damals unter dem Titel: „Ein schönes Salve Regina Durch welches die wochentliche Andacht zu Auffhausen mit den Engelein beschlossen wird“. Gesungen wird die, in den Jahrhunderten textlich leicht veränderte Version, heute nach einer Melodie aus einem Mainzer Gesangbuch von 1712. Neben dieser Melodie kam eine, der Mainzer Variante in vielerlei Hinsicht ähnlich klingende Melodie in Gebrauch, die sich in ihrer Urversion in „Geistliche Spiel- und Weckuhr“ (Hildesheim, 1736) wiederfand. Deutsche Auswanderer waren es, die diese mit in die USA holten, wo sie einen englischen Text erhielt: „Hail, Holy Queen, enthroned above“. Dabei gleichen sich englischer und deutscher Refrain sehr:
Triumph all ye cherubim,
Sing with us ye seraphim,
Heaven and earth resound the hymn,
Salve, salve, salve, regina“ –
„Freut euch, ihr Cherubim,
Lobsingt, ihr Serafim,
Grüßet eure Königin.
Salve, salve, salve, Regina“.
Weltweiten Bekanntheitsgrad, auch in nichtkirchlichen Kreisen, sollte es in der 1992 erschienenen US-amerikanischen Filmkomödie „Sister Act – Eine himmlische Karriere“ bekommen, bei der Whoopi Goldberg die Sängerin Deloris van Cartier spielt, die vor Auftragskillern in ein Kloster unter dem Namen Schwester Mary Clarence flieht.
Ein Salve Regina-Lied
Im heutigen Gotteslob von 2013, dem gemeinsamen Gebet- und Gesangbuch der katholischen Bistümer in Deutschland, Österreich und Südtirol, findet sich das Lied mit sechs Strophen unter der Nummer 536 zwischen „Segne, du Maria“ (GL 535) und „Ave Maria, gratia plena“ (GL 537).
1) Gegrüßet seist du, Königin, o Maria,
Erhab’ne Frau und Herrscherin, o Maria,
Refrain: Freut euch, ihr Cherubim,
Lobsingt, ihr Serafim,
Grüßet eure Königin.
Salve, salve, salve, Regina.
2) O Mutter der Barmherzigkeit, o Maria,
du unsres Lebens Süßigkeit, o Maria,
3) Du unsre Hoffnung, sei gegrüßt, o Maria,
die du der Sünder Zuflucht bist, o Maria,
4) Wir Kinder Evas schrein zu dir, o Maria,
aus Tod und Elend rufen wir, o Maria,
5) O mächtige Fürsprecherin, o Maria,
bei Gott sei unsre Helferin, o Maria,
6) Dein mildes Auge zu uns wend, o Maria,
und zeig uns Jesus nach dem End, o Maria.
Die textliche Grundlage dafür bildet die sogenannte marianische Antiphon – strenggenommen eher ein marianischer Hymnus – „Salve Regina“, entstanden vor 1054, und unterschiedlichen Autoren zugeschrieben. Das Salve Regina kann im Stundengebet der katholischen Kirche in der Zeit im Jahreskreis gesungen werden. Das kann nach der Vesper oder nach der Komplet sein, je nachdem, welche der Stunden als letzte gemeinschaftlich gesungen wird. Johann Georg Seidenbusch griff die Aussagen über die Gottesmutter des „Salve Regina“ auf, und formulierte sie mit eigenen Worten neu.
Königin, Mutter und Fürsprecherin
Dieses im Volksmund oft und gern gesungene Marienlied beinhaltet die ganze theologische Vielfalt, die in der Gottesmutter Maria sich den Gläubigen darbietet. Die erste Strophe ruft die Königin an, so wie im 5. Gesätz des glorreichen Rosenkranzes: „…der dich, o Jungfrau, im Himmel gekrönt hat“. Im gebotenen Gedenktag „Maria Königin“, der am 22. August gefeiert wird, feiert die Kirche diese Aussage über Maria. Die Titulierung der Gottesmutter als Monarchin lässt fast vermuten, dass dieses Fest zu Zeiten seinen Ursprung hat, wo Monarchien noch die gängige Staatsform waren – weit gefehlt. Es war Papst Pius XII., der es im Jahre 1954 mit dem päpstlichen Rundschreiben „Ad caeli reginam“ – „Über die Königin des Himmels“ zum Abschluss des Marianischen Jahres eingeführt hat. Wenn auch erst in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts diese Aussagen über die Gottesmutter in einem Gedenktag fixiert wurden, so ist ihre Verehrung als „Königin des Himmels“ oder „Königin der Engel und Heiligen“ schon bedeutend älter. Bereits in den Schriften des Alten Testamentes werden von den Theologen des Mittelalters gewisse Stellen im Hohenlied oder den Psalmen mariologisch gedeutet.
In den weiteren Strophen wird die Mutter Jesu, die auch unser aller Mutter ist, mit verschiedenen Attributen bedacht: „unsres Lebens Süßigkeit“, „der Sünder Zuflucht“ und „mächtige Fürsprecherin“. Die dritte Strophe war auch Inspiration für den Hildesheimer Diözesanbischof Heinrich Maria Janssen (1907-1988), der ein großer Verehrer der Gottesmutter war, bei der Wahl seines bischöflichen Wahlspruchs: „Ave spes nostra“ – „Unsere Hoffnung, sei gegrüßt“. Die letzte Strophe ruft Maria dann auch als jene Frau an, die uns den Weg zu ihrem himmlischen Sohn weisen kann, ein Titel der in der Ikonographie unter dem Namen „Hodegetria“ – „Wegweiserin“ bekannt ist.