Unser “Vater unser”

Eine kurze Erläuterung zum christlichen Grundgebet

„Vater unser“

d. h. alle Menschen haben einen und denselben Vater. Er ist der Schöpfer „Himmels und der Erde“, aber auch unserer je eigenen leiblichen und geistigen Gestalt. Er interessiert sich für uns, für jeden Einzelnen von uns. Sein Interesse ist dabei nicht irgendwie wissenschaftlich-objektiver Art, sondern es gleicht dem liebevoll-besorgten väterlichen Wohlgefallen.

„im Himmel,“

d. h. Gott wohnt in einem grenzenlosen und grenzenlos schönen (an den Himmel erinnernden) Jenseits. Für die Existenz eines solchen haben wir Indizien – selbst in der neuesten Naturwissenschaft (zusätzliche Dimensionen, die sog. dunkle Energie usf.). Unser endliches Erkenntnisvermögen ist allerdings allein auf einen Ausschnitt des Ganzen gerichtet.

„geheiligt werde dein Name,“

d. h. Gottes Name „Jahwe“ ist kein zufälliger. Er sagt vielmehr Gottes ganz und gar heiliges Wesen aus: „Ich bin der (wahre) ‚Ich bin‘“. Nur der ist (existiert) ja in Wahrheit, der immer ist; alle anderen müssten eigentlich von sich sagen, dass sie von dann bis dann sind – und einmal hier und einmal dort. Wer aber immer und überall ist, der ist auch immer da – auch für uns. Da bei Gott Bezeichnung und Bezeichnetes zusammen gehören, ist die Heiligung des Namens zugleich eine Form der Ehrerbietung gegenüber Gott („ens realissimum“) selbst.

„dein Reich komme,“

d. h. Gott ist zwar aktiv bei uns, aber er bestimmt (regiert) nicht (alles) bei uns Menschen. Gottes Reich ist nicht von dieser Welt, sondern im Jenseits. Hier, in unserer Erfahrungswelt, herrschen hauptsächlich nichtgöttliche Kräfte. Wir Christen ersehnen aber die Alleinherrschaft des gerechten und zugleich barmherzigen Gottes auch in unserer, derzeit noch im Argen liegenden, unzureichenden Wirklichkeit. Und wir wissen im Glauben: Diese Herrschaft wird kommen!

„dein Wille geschehe“

d. h. nicht der Wille der Machthaber dieser Welt – aber auch nicht der selbstsüchtige Eigenwille des jeweiligen Einzelmenschen über seine Nächsten soll herrschen: Gottes Wille möge es sein und sein Wille ist es, dass wir Ihn und unsere Nächsten „lieben wie uns selbst“. Und wir dürfen uns darum bemühen, dass Gott selbst das erfahrbare lebendige, „ausstrahlende“ Zentrum der Liebe unter uns sei.

„wie im Himmel, so auf Erden.“

d. h. im Jenseits ist das jetzt bereits Wirklichkeit, was wir uns wünschen – und wofür wir hier arbeiten sollten: Gottes Güte (seine Gerechtigkeit im Einklang mit seiner Barmherzigkeit) regiert und bestimmt alles, was dort geschieht – wundervoll!

„Unser tägliches Brot gib uns heute“

d. h. Gott möge uns bei unserem Bemühen beistehen, den jeweiligen Tag ohne Hunger und existentielle Not durchleben zu können. Es schwingt bei dieser Bitte aber auch der Gedanke mit, dass es nicht darauf ankomme, im diesseitigen Leben Überfluss und Reichtümer zu erwirtschaften. Das einfache, bedürfnisarme und auf Gottes Reich ausgerichtete Leben ist weit wichtiger als die Anhäufung schnell vergänglicher Schätze.

„und vergib uns unsere Schuld“

d. h. Schuld ist eine Realität – wir leben nicht „jenseits von gut und böse“ (wie dies etwa die Tiere tun). Das Böse ist nicht lediglich ein „sogenanntes Böses“, sondern vielmehr ein wirkliches Übel für Leib, Seele und Gesellschaft. Und Gott gibt auf diese Wirklichkeit der Sünde und Schuld acht! Er nimmt sie ernster als alles andere – ist aber dann, wenn wir ihn aufrichtig darum bitten, auch bereit zu vergeben.

„wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“

d. h. vor allem, dass Gott in seiner Heiligkeit uns ein Vorbild sein soll. Aus dem Umstand, dass Gott bereit ist, uns zu vergeben, folgt daraus mit Konsequenz, dass auch wir denen vergeben sollen, die sich an uns versündigt haben. Es ist nicht gottgefällig, gegen einen Mitmenschen langen Groll zu hegen oder Hass und Feindschaften zu „pflegen“.

„und führe uns nicht in Versuchung,“

d. h., dass Gott uns führt – grundsätzlich zu unserem Wohl – aber er führt uns gelegentlich auch in Versuchung, stellt uns auf die Probe. Und das ist gefährlich für uns! Wir bitten ihn deswegen, dergleichen nicht – jedenfalls nicht allzu häufig – zu tun, sind wir doch allesamt schwach und vielen Sünden zugeneigt.

„sondern erlöse uns von dem Bösen.“

d. h., das „Böse“ (malum, Schlechte, Übel, Nichtsein-Sollende) ist um uns und – schlimmer – auch in uns. Wir benötigen Gottes Hilfe, um davon frei zu werden! Unser eigenes Bemühen ist wichtig, aber alleine schaffen wir es nicht. Wir müssen auch bitten bzw. beten! Gott, der „Ichbin- bei-Euch“, muss uns zum Heil verhelfen. Menschenkraft allein reicht dafür nicht aus. Wo und wann immer Menschen versucht haben, ohne oder gar gegen Gott eine „ideale“ Gesellschaft, einen „Himmel auf Erden“, zu errichten, haben sie stets eine Hölle geschaffen.

„Amen“

d. h. so sei es und nicht, wie so viele andere es wollen. Wir gehören zu Gott – Er ist unser Vater.

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