Fatima – ein Weckruf zum Glauben (I. Teil)

„Selig ist die, die geglaubt hat“ (Lk 1,45). Dieses Wort Elisabeths beim Besuch der jungfräulichen Gottesmutter ist gleichsam ein Schlüssel, der uns die innerste Wirklichkeit Marias eröffnet.¹ Ihr Leben war ein Glaubensweg. Die Größe Marias liegt in ihrem einzigartigen Glauben. Maria ist die erste und vollendete Glaubenszeugin an der Spitze aller, die Jesus Christus nachfolgen. Deshalb sagte Elisabeth nichts Übertriebenes und Falsches, wenn sie ihre Verwandte als „selig“ pries. So steht Maria vor uns als Vorbild des Glaubens.

Auch als „Unsere Liebe Frau von Fatima“ geht uns Maria mit ihrem Glauben voran. Sie ist gleichsam ein Weckruf an die Kirche, an uns alle, zu bewussterem Glauben. Durch ihre Botschaften in Fatima will die Gottesmutter den Glauben vertiefen und stärken, will sie zu einem reinen, demütigen, dankerfüllten und lebendigen Glauben führen. Nicht von ungefähr leitet der Engel die drei Hirtenkinder, die er auf das Kommen der Gottesmutter in Fatima vorbereitet, bei seiner ersten Erscheinung (Frühjahr 1916) zu einem Gebet an, dessen erste Bitte auf den Glauben zielt: „Mein Gott, ich glaube an dich, […] ich bitte um Verzeihung für jene, die nicht an dich glauben.“

In einem Gespräch über die Lage des Glaubens² sagte Joseph Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., einmal, „dass der Glaube – der Christusglaube – das höchste und kostbarste Gut ist“ für uns Menschen. Es ist das höchste Gut, weil wir nicht „vom Brot allein“ leben, sondern entscheidend vom „Wort Gottes“, vom Glauben. Denn im Glauben geht es um den Sinn unseres Lebens und um dessen Vollendung.

Glauben heißt, sich Gott mit Verstand, Herz und Willen hingeben – in einem letzten Vertrauen auf ihn. Die Keimkraft zum Glauben wurde uns in der Taufe eingesenkt. Das besagt: Der Glaube ist Antwort auf Gottes Gnade, aber auch selbst Gnade. Darum müssen wir immer wieder um den Glauben beten. Das Gebet – vor allem auch das Rosenkranzbeten – schenkt dem Glauben Wachstum und Reife. Maria war die große Betende und deshalb auch die unbeirrbar Glaubende. Glaube und Gebet gehören zusammen wie Feuer und Glut. Dann trifft zu, was der heilige Bonaventura (1221–1274) einmal so zum Ausdruck gebracht hat: „Seitdem Christus erschienen ist, weiß ein Bauernweiblein mehr als der größte Philosoph.“ Denn der Glaube macht sehend.

1 Beim folgenden Text handelt es sich um eine Predigt, die ich am 13. Mai 2005 in der Miesbergkirche in Schwarzenfeld (Bistum Regensburg) gehalten habe. – Vgl. auch Erzbischof Karl Braun, Herbstlese. Bd. 1, Kisslegg 2011, 144-148.

2 Vgl. Joseph Kardinal Ratzinger, Zur Lage des Glaubens. Ein Gespräch mit Vittorio Messori, München, Neuausgabe, 2006 (Titel der italienischen Originalausgabe: Rapporto sulla fede, Mailand 1985).

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